„Ab hier darf nichts mehr Metallisches rein, und nur MRT geprüfte Ausrüstung“ – sagt Jennie freundlich aber bestimmt. Jennie ist die MTA, die wir heute einen ganzen Tag im MRT begleiten. Wir, das sind Petra Springer und Sandra Carolina Mosch – und der Text ist bewusst in dieser persönlichen Art formuliert. Denn was wir im MRT über mehrere Stunden erlebt haben, war faszinierend und berührend zugleich.
Angewandte Physik bei der Arbeit
Aber, first things first. Wir sind in Essen in einem Klinikum und werden heute dem Klinikalltag im MRT erleben. „Heute stehen Herzen, Wirbelsäule, Knie, Becken-Bein, und ein Stress-Herz auf dem Programm“, sagt unsere MTA mit Blick in den Outlook Kalender. Wir sind an einem Siemens Gerät, dem Somatom AVANTO. Und um gleichmal auf Tuchfühlung mit der Technologie zu gehen, legen wir alles Magnetische und Metallische ab, lassen die Handy auf den Tischen. Jennie macht einen Sicherheitscheck an uns, den sie später auch mit allen Patienten immer wieder geduldig durchgeht, und lässt uns eintreten in jenen speziellen Raum, in dem ein immer aktives Magnetfeld wirkt. „Das Magnetfeld ist immer da, immer. Auch wenn kein Scan läuft. Abschalten kann ich es nur im äußersten Notfall. Dann wird das Helium, das die Spulen auf –269 Grad Celsius hält, abgelassen und das Magnetfeld wird abgebaut.“ Auf die Frage, ob das in ihrer 12-Jährigen Zeit als MTA bereits mal der Fall war, verneint Jennie mit einem Lachen. Es ist also wirklich die ultima ratio.
Ein bisschen wie bei MARVEL
Jennie hat einen kleinen Clip an ihrer Uniform, den darf sie tragen. Er misst die Strahlung, der sie aussetzt wird bei Röntgen Untersuchungen. An ihm demonstriert sie uns die Kraft des Magnetfelds. Und wir staunen. Es ist ein bisschen wie bei X-Men, wenn Magneto die Kontrolle über Metalle übernimmt. Der Clip ändert im Raum einfach die Richtung. Und dabei sind wir circa 1,5 m von dem Gerät entfernt. „EC-Karten werden hier sofort gelöscht. Handys könnt ihr danach wegschmeißen.“, sagt Jennie. Bei ihren Erklärungen wird uns klar: die Maschine, die vor uns steht, ist mächtig und birgt eine unsichtbare Physik in sich, der man respektvoll begegnen muss. „Alle Wasserstoffatome in eurem Körper werden durch das Magnetfeld parallel und antiparallel zum Magnetfeld ausgerichtet sobald man in den Tunnel fährt . Die Spulen, die ihr da seht (Jennie zeigt auf mehrere größere kunststoffumantelte Gebilde, die an übergroße Nackenstützen erinnern), diese Spulen registrieren die Rückfallbewegung der Atome in ihre Ausgangssituation. Daraus berechnet die Software die Bilder“. Das alles ohne Röntgenstrahlung, ohne Radiokativtät – nur laut wird es werden, meint Jennie.
Es geht los
Wir nehmen hinter den Monitoren Platz. Links der Perfusor, mit dem Jennie das „KM“ (Kontrastmittel) remote in den Patienten einströmen lassen kann, wenn es erforderlich ist, wie zum Beispiel bei sogenannten „getriggerten“ Untersuchungen der Gefäße mit Kontrastmittel. Ein Aufenthalt während eines Scans im Raum ist möglich, sofern es erforderlich ist. Solche Sonderfällen sind beispielsweise Frühgeburtsuntersuchungen, Patienten die überwacht werden müssen oder aber auch mal Patienten, die so massive Platzangst haben, dass sie nicht alleine im MRT liegen können. Auch bei den Kleinen kommt es manchmal vor, dass eine Begleitung nötig ist. Ansonsten gilt aber: Alle Mann raus aus dem Raum.
Das erste Herz
Plötzlich kommen Geräusche aus dem Umkleideraum, der Pfleger kündigt den ersten Patienten an. Das „erste Herz“ kommt. Eine Dame um die 40 Jahre. Jennie klärt die Dame auf, fragt nach Zahnersatz, Herzschrittmacher, Tattoos. Tattoos? „Die Tattoo-Farbe kann eisenhaltig sein, das kann zu Verbrennung beim Patienten führen, oder behindert die Bildakquirierung. Ich sehe dann überhaupt nichts, Auslöschungsartefakte.“, meint Jennie. Wir nicken beeindruckt. Jennie studiert die sogenannte Fragestellung: also die ärztliche Formulierung, was es im MRT abzuklären gibt. Daraufhin plant sie die Untersuchung des Herzens. Ziel ist es ein bewegtes Bild des Herzens über den gesamten Herzzyklus hinweg zu haben, ein sogenanntes cine Bild. Am Ende der Bildakquirierung werden wir also auf ein sich bewegendes Herz blicken. In dem sich die Herzklappen öffnen, wir den Blutstrom in die Vorhöfe und die Herzkammern sehen und wie es wieder herausgepresst wird – eine Sequenz von Bildern also, die den Eindruck vermittelt, man sehe das Herz schlagen. Und genau das ist es, was das Akquirieren von Herzbildern zu einer Kunst macht. „Knie, Schädel, Wirbelsäule, alles Unbewegte ist gar kein Problem. Wo man gut planen muss, ist das Herz, denn es ist ständig in Bewegung und wir wollen ja gute Bilder haben. Ohne Bewegungsartefakte aus der Atmung, ohne Pulsationsartefakte von Gefäßen und solche Dinge.“
Ohne Anatomiekenntnisse geht es nicht
Gebannt starren wir auf das unförmige grau-schwarz-weiße Gebilde auf dem Monitor, das wohl das Herz sein muss. In drei Ansichten plant Jennie den Herzscan. Dabei weiß sie ganz genau, wo sie die Scan Achsen setzen muss. „Hier ist der Eingang der Aorta, die wollen wir nicht sehen, daher plane ich den Scan ab hier. Hier eine Kurz-Achse. Hier einen Vierkammer-Blick.“ Sie verschiebt gelbe gestrichelte Linien über dem monochromen Bildausschnitt. Später am Tag werden wir viel besser verstanden haben, was Jennie da gerade macht. Wir werden einige Herzen gesehen haben. Gerade, so lernen wir, geht es um das Myokard, den Herzmuskel.
Sport bei Erkältung? Cave!
Jennie darf keine diagnostischen Auskünfte geben. Das darf nur der Arzt. Aber natürlich sieht sie, die hunderte Herzen gescannt hat und die Anatomie ganz genau kennt, ob ein Herz „normal“ aussieht, oder etwas verändert ist. So lernen wir, wie ein gesundes Myokard aussieht, und wie stark unterschätzt eine Herzmuskelentzündung, eine sogenannte Myokarditis ist. Besonders bei jungen sportlichen Menschen, so hören wir, kommt eine Herzmuskelentzündung häufig vor. Mit dramatischen Folgen. Jennie erzählt von einem jungen Vater, der innerhalb von fünf Tagen an einer Herzmuskelentzündung verstarb. „Eine häufige Ursache ist ganz einfach, dass viele junge Sportler auch bei Erkältungskrankheiten Sport machen. Das schwächt den Körper weiter, und die Viren machen auch vor dem Herzen nicht halt. Es kann zur Entzündung kommen. Am lebenswichtigsten Organ des Menschen ist das sehr gefährlich.“ Wir sind betroffen. Eine Erkenntnis des Tages wird auch sein, dass es sehr wichtig ist, besser auf seine Gesundheit zu achten.
Auf Spurensuche – Detektivarbeit mit dem Kardiologen
Es ist mittlerweile gegen Mittag. Wir haben Wirbelsäulen gesehen und ein Knie. Dahinter stecken natürlich immer Menschen, die von MRT Team unglaublich herzlich, souverän und auch bestimmt betreut werden. Immer wieder aufklären, wieder den Kunststoffrollstuhl holen, wieder einen Patienten umbetten. Das muss man erstmal drauf haben: Technik affin sein, medizinisches Wissen haben und empathisch mit Patienten umgehen können. Der Beruf der MTA ist extrem vielseitig, und vor allem verantwortungsvoll.
Das nächste Herz kommt. Zunächst scheint es darum zu gehen, Bilder nochmals zu akquirieren, da die Fragestellung nicht hinreichend mit den bereits bestehenden beantwortet werden kann. Jennie studiert die Bilder, die bereits gemacht wurden und liest nochmals die Fragestellung durch. Sie klickt sich durch das Archiv. Runzelt die Stirn. Nach einem kurzen Moment sagt sie: „Also ich weiß jetzt nicht, was ich da machen soll.“ Sie ruft den Kardiologen aus dem Nachbarzimmer. Schildert den Fall. Es entbrennt ein spannendes Fachgespräch. Und eine Detektivarbeit beginnt. Auf den früheren Bildern war ein kleiner dunkler Fleck in einer Herzkammer zu sehen, der dort nicht hingehört. Der Sache soll nachgegangen werden. Gemeinsam arbeiten sich Jennie und der Kardiologe anatomisch an die vermutete Stelle vor. Das ist gar nicht so einfach. „Auf welche Höhe bist du gerade?“, fragt der Kardiologe Jennie…“geh mal höher…“. Gelbe Linien huschen über den Monitor, Sequenzen werden behände geplant, nochmal und nochmal immer wieder kommen die Bilder rein und dann endlich: „Da! Da ist es.“ Wir starren auf die Monitore und sehen es auch. Der Kardiologe zeigt auf einen dunklen Fleck mitten im Herzen. Die Detektivarbeit hat sich gelohnt. Wir sind erleichtert. Wir wissen aber auch, dass kann für das Herz nichts Gutes bedeuten.
Routine, ja. Aber bitte mit Herz.
Ab jetzt geht alles seinen gewohnten Lauf. Schon wartet der nächste Patient auf seine Untersuchung.
Herzschrittmacher? Tattoos? Es erschallen die Atemkommandos aus dem MRT-Raum. „Einatmen“ – „Halten“ – „Ausatmen“. Wir werden noch einiges erleben an diesem Tag. Wir werden sehen, wie Jennie Männern die Brust rasieren muss, natürlich unter Protest. Denn es geht an den Strand, in die Sonne, wie sieht das denn jetzt aus? Ein anderer hat sich die Brust mit Vaseline eingerieben. Ganz ordentlich. Und: das macht man doch so. Die Elektroden halten nicht. Also wird der Herr erstmal „entfettet“. Das alles mit viel Geduld und mit viel Herz. Wir verabschieden uns vom Team am Nachmittag. Es war ein guter Tag. Bereichernd. Wir sind dankbar für diese Erfahrung. Und wir wissen: Auf sein Herz, darauf muss man schon besonders aufpassen.
Kleine Link-Sammlung für Interessierte:
Magnetresonanztomographie – was ist das (wiki)
Funktionsbild vom Herz akquirieren – wie geht das (Uni Erlangen)
Myokarditis – medizinische Informationen zur Herzmuskelentzüdung (Deutsches Ärtzeblatt, pdf)
Wir schenken Ihnen unser Expertenwissen
Abonnieren Sie unser Value-Programm und Sie erhalten regelmäßig und kostenfrei aktuelle Tipps und Tools, um Ihr Marketing einfacher, durchgängiger und wirkungsvoller zu gestalten. Es erwarten Sie Themen wie z.B. „Punktgenau briefen mit der Briefing-Canvas“, „Wer ist mein Kunde – arbeiten mit Personas“ oder „Marke bauen im B2B“. Wir erläutern diese Tools und Methoden in unserem Blog und stellen Ihnen das Material kostenfrei für Ihre tägliche Arbeit zur Verfügung.