Industrie 4.0 zu verwirklichen setzt einiges voraus. Ganz abgesehen vom Willen, gehört eine Wissensinfrastruktur dazu ebenso wie die Verfügbarkeit von Fachkräften, aber auch eine flächendeckende, sichere Breitband-Kommunikationsinfrastruktur. Davon handelt das heutige Kapitel.
In der IHK-Studie „Industrie 4.0 in Nordbayern“1 wird das Fehlen einer solchen Infrastruktur als eins der häufigsten Hemmnisse auf dem Weg zur Digitalisierung genannt – ein Manko, das doch eigentlich mit politischem Willen und etwas Gestaltungskraft auszuräumen sein sollte. Schon 2013, so erwähnt es die Studie, hatte Acatech ausfallsichere Netzwerke mit hoher Qualität und Echtzeitfähigkeit als das Rückgrat von Industrie 4.0 herausgestellt. Die IHK-Autoren greifen den Ball auf und spannen den Bogen über eine ganze Reihe von Zukunftstechnologien, die für Industrie 4.0 maßgeblich sind – vom 3D-Druck über Cloud-Anwendungen bis zur durchgehend digitalen Kommunikation entlang der Wertschöpfungskette.
Umso bedauerlicher, dass die Ausbaupläne der Bundesregierung nach wie vor auf Kupferkabel setzen und damit in eine sichere Sackgasse führen. Dabei wäre die Investition in Glasfasertechnik nicht nur zukunftsweisend, sondern würde nach einer Studie der IW Consult einen kräftigen Hebeleffekt auslösen – mit einer BIP-Steigerung um bis zu 1,2 Milliarden Euro für jedes zusätzliche Prozent an Glasfaseranschlüssen. Leider wurde diese Chance aus Haushaltserwägungen verschenkt.
Wie sieht es im größeren Maßstab aus? Die McKinsey-Studie2, die auf Expertenbefragungen in Deutschland, USA und Japan beruht, fokussiert weniger auf die IT-Infrastruktur als auf die Systeme. Sie stellt den nicht unbeträchtlichen Planungs- und Investitionsaufwand heraus, der mit der Datenintegration über die gesamte Wertschöpfungskette und den gesamten Produkt- und Produktionslebenszyklus verbunden ist – gerade angesichts der historisch heterogenen IT-Landschaften. „Wir erwarten einen erheblichen Effizienz- und Geschwindigkeitsgewinn (…). Aber dieser Schatz kann nur gehoben werden, wenn die Datenintegration über den gesamten Produktlebenszyklus gelingt“, wird beispielsweise Fred Schulemann, Head of Digital Production bei der Audi AG, zitiert.
In diesem Zusammenhang fordert McKinsey die Unternehmen auf, eine Roadmap zu einer integrierten, durchgängigen Datenlandschaft zu entwickeln – insbesondere was die Verbindung bestehender Stammdaten mit den schnellen, transaktionalen Datenströmen aus der Maschinenebene angeht. Nur durch eine konsequente Integration dieser sehr unterschiedlichen Datentypen würde es möglich, fortgeschrittene Datenanalytik für schnelle Echtzeitentscheidungen und vorausschauendes Handeln – etwa bei der präventiven oder gar prädiktiven Instandhaltung – zu nutzen.
Aber manchmal, so zeigt ein Fallbeispiel bei McKinsey, können anstelle des großen Wurfs auch schon kleine und pragmatische Schritte weiterhelfen. Wie im Fall eines Biotechnologie-Unternehmens, das seinen gesamten Batch-Prozess noch auf Papier dokumentiert hatte. Statt erst eine digitale Dokumentation aufzubauen – was bis zu zwei Jahren Vorlauf beansprucht hätte – scannte die Firma 15.000 Seiten, ließ sie in Indien in maschinenlesbare Datensätze konvertieren und machte damit zumindest einen ersten Schritt in Richtung digitaler Produktion. Zeitaufwand: zwei Wochen – bei einer Ertragssteigerung von einem Prozent kein schlechter Deal.
Natürlich ist das alles noch Lichtjahre entfernt von den Industrie 4.0-Welten, die in einigen Vorzeigefabriken schon zu besichtigen sind – mit voll digitalisierten Wertschöpfungsketten wie bei Siemens in Amberg. Aber um überhaupt voranzukommen, ist etwas hemdsärmeliger Workaround speziell für die „Kleinen“ nicht besser, als vor lauter Perfektionsanpruch zu lange auf den entscheidenden Schritt zu warten?
1) Quelle: http://www.ihk-nuernberg.de/de/media/PDF/Innovation-Umwelt/industrie-4.0-in-nordbayern-potenzialstudie-fuer-das-aktionsfeld-vernetzte-prod.pdf, aufgerufen am 26.06.2017.
2) Quelle: https://www.mckinsey.de/files/mck_industry_40_report.pdf, aufgerufen am 26.06.2017.
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